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Mut - brauche ich ihn wirklich zum Leben?

Heike Lewin • 5. Mai 2022

Ganz oft sagen Menschen, dass sie nicht den Mut hatten, irgendetwas zu tun. Sei es die Arbeitsstelle zu wechseln und sich beruflich neu zu orientieren, eine wichtige Entscheidung zur treffen oder sich von ihrem Partner zu trennen. Nach und während meiner Gewichtsabnahme und der damit verbundenen persönlichen Veränderung, haben viele meiner Freunde und Bekannte zu mir gesagt: "Du warst aber mutig." War ich wirklich mutig? Oder hatte ich nur meine persönliche Schmerzgrenze erreicht?

Vor kurzen habe ich ein Seminar besucht. Zwanzig Tage haben wir uns dort mit dem Thema "Neuro-Linguistisches Programmieren" beschäftigt. Wir haben gelernt, was hinter diesem Thema steckt und wie man es anwendet. Und nebenbei habe ich viele tolle Menschen kennengelernt. Großartige Menschen, die sich alle aus ganz unterschiedlichen Gründen auf den Weg gemacht haben, um an sich zu arbeiten. Ich war erstaunt, wie schnell eine Gruppe von fremdem Menschen zusammenwachsen kann. Am Ende des Seminars waren Freundschaften entstanden und eine Vertrautheit, die ich nicht erwartet hätte. Ich habe lernen dürfen, welche Bedeutung die Worte „Berührt“, „Dankbar“ und „Wertschätzend“ in unterschiedlichen Kontexten haben können und wie mächtig diese Worte sind. In einer Trancearbeit habe ich eine tiefgreifende Geschichte über einen kleinen Kaktus gehört. Diese war frei erfunden und doch so unglaublich real erzählt, dass ich die Erzählerin gebeten habe, diese einmal aufzuschreiben und mir zur Verfügung zu stellen.

An einem dieser Tage hatte ich ein Gespräch mit einer jungen Seminarteilnehmerin. Es ging um das Thema Mut. Wir haben lange darüber gesprochen und seitdem denke ich sehr viel über „Mut“ nach. Sie erzählte mir, dass sie so gerne etwas anderes beruflich machen möchte, doch irgendwie fehlt ihr der Mut dazu. Es kam mir so bekannt vor. Viele Jahre hatte ich nicht den Mut mich beruflich zu verändern und ich hatte vor allem nicht den Mut meinen Eltern und unseren Freunden zu erzählen, dass mein Interesse in einem ganz anderen, eher spirituellen Bereich liegt. Mein Vater hätte es als Spinnerei abgetan und viele unserer Freunde auch. Auch heute noch reagieren einige von ihnen mit einem Schmunzeln oder Ungläubigkeit bezüglich meiner Arbeit in der Praxis. Heute weiß ich, dass in dem Moment, wo man das Gewohnte verlässt, um etwas Neues zu machen, die Angst einen begleitet. Will ich mich dieser Angst stellen, brauche ich Mut. Mutig sein bedeutet also sich seinen Ängsten zu stellen?

Seneca, ein römischer Philosoph, sagte einmal: „Wenn die Sehnsucht größer ist als die Angst, wird der Mut geboren“ 

Was ist aber überhaupt Mut? Und habe ich ihn wirklich gebraucht um abzunehmen und mich zu verändern, zu der, die ich heute bin? Brauche ich ihn immer noch oder ist er immer vorhanden? Brauchen wir Mut wirklich zum Leben? 

Wikipedia sagt über Mut: Mut, auch Wagemut oder Beherztheit, bedeutet, dass man sich traut und fähig ist, etwas zu wagen, das heißt, sich beispielsweise in eine gefahrenhaltige, mit Unsicherheiten verbundene Situation zu begeben. 

Doch wann ist man mutig? Ist Mut ein Zustand, den ich in Situationen brauche, in denen es gefährlich oder unangenehm werden kann? Und wenn ich mich in diese Situationen begebe, bin ich dann mutig? 

Oder ist Mut eine Charaktereigenschaft? Die Eigenschaft, die ich nutze, mich gegen Widerstände einzusetzen, besonders für eine, in meinen Augen, richtige Sache, die meinen persönlichen Werten entspricht. 

In meinen Augen kann Mut aber auch bedeuten, etwas Unangenehmes, Gefahrvolles oder nicht Legales zu tun. Dabei werden Nachteile und Verluste in Kauf genommen. Mut und Angst stehen dann als Gegensätze nebeneinander. 

Angstfreier Mut kann in vielen Situationen gefährlich werden und mutfreie Angst kann große psychische Auswirkung haben. Deshalb sollte meines Erachtens auch immer Mut und Angst als Kombinationspartner gesehen werden. Diese Verbindung von Mut und Angst hilft den Menschen, Situationen abzuwägen und dann zu entscheiden, welche Handlung folgen soll. 

Als ich mir 2016 die Frage stellte, wie ich es schaffe, mein Gewicht zu reduzieren, war ich ziemlich hilflos. Die zweite Frage, die ich mir stellte, war die Frage, ob ich überhaupt glücklich bin. Wo liege ich auf einer Skala von -10 bis + 10? Ich hatte keine Ahnung, warum diese Frage plötzlich kam. Als ich anfing, darüber nachzudenken, kam die erschreckende Kenntnis, ja glücklich schon, aber sehr unglücklich mit meinen Körpergewicht. 

Ich hatte alles, was ich brauchte, aber irgendetwas fehlte mir. Ich hatte verlernt, auf meine Gefühle zu achten. Nach und nach verstand ich, dass ich mich mehr auf meine Gefühle verlassen musste. Sie waren mein zukünftiger Wegweiser. Ich brauche meine Gefühle, um ein erfülltes Leben zu leben. Ich musste lernen, meine Gefühle zuzulassen und damit umzugehen - nur so werde ich es schaffen, dauerhaft mein Körpergewicht zu reduzieren. Aber was ist wenn mir der Mut fehlt? Ich musste so viel lernen und ich musste auch lernen mutig zu sein. 

Heute habe ich es gelernt. Ich habe Zugang zu meinen Gefühlen, kann mich entschuldigen, für mich einstehen und mir selber verzeihen und durchaus auch einmal eine Träne in der Öffentlichkeit weinen. Um das alles zu lernen, musste ich innere Widerstände überwinden und hin und wieder auch mutig sein. Ich brauchte Mut. Mut für meine Sachen einzustehen, Mut durchzuhalten, Mut mir selber zu vertrauen, Mut anderer Meinung zu sein, Mut um Hilfe zu bitten, Mut mich selbst in Frage zu stellen, Mut mich zu entschuldigen, Mut neue Fähigkeiten zu lernen. 

Es war noch nie so einfach wie heute, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und doch gehört Mut dazu. Mut bedeutet aber nicht keine Angst zu haben. Ich habe Mut für mein Leben gebraucht. Mein Start in das Abnehmen war für mich ein Wagnis. Ich hatte keine Kontrolle, ich wusste nicht genau, was passiert. Das Ergebnis lag außerhalb meines Erfahrungsbereiches. Ich musste Unsicherheiten aushalten und mit eventuellen Konsequenzen rechnen. Hauptsächlich in dem Moment, wenn ich die ganze Sache abgebrochen hätte. 

Ich musste mutig sein gegenüber meinen eigenen Ängsten. In erster Linie die Angst, es auch diesmal nicht zu schaffen und mich vor anderen Menschen rechtfertigen zu müssen. 
Mutig war es für mich aber auch meine Geschichte zu veröffentlichen, weil diese Veröffentlichung auch mit Ängsten verbunden war. Ängste in Form von "Interessiert dieses Thema überhaupt jemanden?" oder auch "Welche Konsequenzen zieht diese Veröffentlichung nach sich?" 

Doch wie wird man nun mutiger? Als erstes muss man wissen, dass Veränderungen etwas Zeit brauchen. Um mutiger zu werden, musst man auch lernen mit der eigenen Angst umzugehen. Deshalb stelle dir jeden Tag einer neuen kleinen Herausforderung, die sich am Anfang noch etwas schwierig anfühlt. Meistere diese und du merkst das du mit jeder Herausforderung selbstbewusster und mutiger wirst. In dem du das immer wieder trainierst, wird es für dich immer leichter werden, die nächst größere Herausforderung anzunehmen. Dein Mut wächst mit den Aufgaben, die du zu bewältigen hast und es wird für Dich immer leichter, mutig zu sein. 

Ganz und gar man selbst zu sein kann schon Mut erfordern!
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