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Sterben in Würde - Arbeit im Hospiz

Heike Lewin • 27. September 2020
Dem Leben nicht mehr Tage geben, sondern den Tagen mehr Leben geben.
                                                                                                                                              (Cicely Saunders) 
das ist der Leitsatz des Hospiz Kieler Förde. 

Über diesen Leitsatz habe ich viel nachgedacht. Es fiel mir etwas schwer mich damit auseinanderzusetzen, findet doch das Thema Tod nicht immer seinen Platz in unserem Alltag. Nach meiner Entscheidung ehrenamtlich für das Hospiz tätig zu werden, fing ich an mich mit dem Tod näher auseinander zu setzen. Meine Mutter starb 2017 und ich fragte mich, starb sie in Würde?

Was bedeutet in Würde zu sterben? 
Niemand redet gern übers Sterben. Fast alle Menschen fürchten sich davor, dass sie am Lebensende nicht mehr selbst über sich Selbst bestimmen können. Sie haben Angst vor Schmerzen und einen schwer ertragbaren Schwebezustand zwischen Leben und Tod. Der Tod ist eine Grenze dem wir machtlos gegenüber stehen, egal was wir sind und wer wir sind. Sterben in Würde bedeutet für mich das Menschen selbstbestimmt über die letzte Zeit ihres Lebens entscheiden dürfen. Sie dürfen entscheiden, in welcher Form sie schmerztherapeutisch versorgt werden. Welche seelsorgerische Begleitung sie haben möchten oder nicht. Die Wahrung ihrer Würde und die Achtung ihres Willens steht dabei an erster Stelle. Es bedeutet aber auch Wertschätzung, Respekt und Liebe von den Menschen zu bekommen die ihnen beiseite stehen.

Wie gehe ich mit den Sterbenden um?
Die Zeit des Sterbens ist ein Prozess. Oftmals dauert dieser mehrere Wochen und man lernt die Gäste etwas kennen. Am Anfang hatte ich Angst, schaffe ich es den Kontakt mit Sterbenden auszuhalten?  Wenn ich heute in die Zimmer gehe, weiß ich in der Regel nur grob was mich erwartet. Ich habe vorher von dem Pflegepersonal Informationen bekommen, wie es unserem Gast geht. Kann er noch essen, benötigt er eventuell eine Schnabeltasse oder pürierte Kost. Ich kümmere mich seit drei Jahren um das Abendbrot. Erfülle Esswünsche, bereite vor und bringe es in die Zimmer. Und oft entstehen dabei Gespräche. Gespräche über das gelebte Leben, aber auch über den kommenden Tod. 
Ich höre zu. Bin geduldig, wenn die Worte fehlen. Habe Zeit, halte manchmal die Hand und werte nicht. Mehr kann ich nicht mehr tun...

Was macht diese Arbeit mit mir?
Am Ende meiner Arbeitszeit sitze ich im Auto und fahre in einer anderen Stimmung nach Hause als ich gekommen bin. Ich hatte immer vermutet, dass mich eine gewisse Traurigkeit erfasst wenn ich das Hospiz verlasse. Feststellen musste ich, dass es nicht so ist. Eher überkommt mich Demut. Demut vor dem Leben, welches größer ist als wir. Demut vor Dingen, die wir nicht kontrollieren können, Demut vor den Dingen, die uns das Leben schenkt und auch Demut vor den eigenen Grenzen. 

Und wofür bin ich da? 
Ich bin da um schwerkranke Menschen auf ihren letzten Weg zu begleiten. Es macht mich glücklich, wenn ich unseren Gästen ein klein bisschen Gutes tun kann. Oftmals mögen sie nicht mehr essen oder haben keinen Appetit mehr. Manchmal mache ich Vorschläge und sie schaffen einen kleinen Löffel Suppe und sind glücklich darüber. Manchmal ist die Suppe gekocht, aber ein Löffel voll geht nicht mehr. In diesem Moment ist alles gut, genauso wie es ist...

Meine eigene Angst vor dem Tod
Seit meiner Arbeit dort im Hospiz denke ich auch über meinen eigenen Tod nach. Er hat von seinem Schrecken nichts verloren. Auch ich möchte selbstbestimmt über mein Leben und den Zeitpunkt meines Todes entscheiden können. Rein rechtlich ist dies zur Zeit in Deutschland nicht möglich. Ich kann lediglich entscheiden in welcher Form ich sterben möchte und ich hoffe ich habe die richtigen Entscheidungen getroffen. 

Und seit ich da bin, stelle ich mir jedes Mal die Frage: Wie würde ich sein, wenn ich dort meinen letzten Platz bezogen habe?  Würde ich weinen, schreien oder wütend sein. Ich weiß es nicht...

Ich habe Gespräche dort mit Sterbenden geführt, die mir sehr nahe gingen. Oftmals war ich den Tränen nahe und musste das ein oder andere mal erkennen, dass es meine Gefühle waren die mir zu schaffen machen. Und ich wünsche mir das ich, wenn es mal so weit ist, mit solcher Klarheit, Zufriedenheit und Stärke von dieser Welt gehe, wie ich es dort von einigen Sterbenden lernen durfte. 

Mein Respekt für ihre letzte "Leistung " auf dieser Erde gebührt diesen wunderbaren Gästen.

www.hospiz-kiel.de 










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